Jenseits der glutenfreien Ernährung: pharmakologische Ansätze bei Zöliakie

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Eine strikt lebenslange glutenfreie Diät (GFD) stellt derzeit die einzige wirksame Therapie bei Zöliakie dar. Dennoch zeigen laut einer Metaanalyse von Aggarwal et al. rund 22 % der Betroffenen auch nach 6–12 Monaten glutenfreier Ernährung weiterhin Symptome. In etwa einem Drittel dieser Fälle ist unbeabsichtigte Glutenaufnahme die Ursache. In den vergangenen Jahren wurden neue Therapieansätze entwickelt, die sich aktuell in klinischen Studien der Phase 2 und 3 befinden. Diese Übersicht von Scalvini et al. fasst die bisherigen Fortschritte und Entwicklungen auf dem Weg zu ergänzenden Behandlungsmöglichkeiten zusammen.

Text 

Die Forschungsgruppe um Scalvini et al. (2025) hat eine narrative Übersichtsarbeit veröffentlicht. Das Ziel bestand darin, die bislang in Phase-2- und Phase-3-Studien untersuchten pharmakologischen Ansätze bei Zöliakie zusammenzufassen und ihre Wirksamkeit kritisch zu bewerten. 

Methodik: 

Es wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken „Pubmed” und „Embase” durchgeführt. Von den 7.286 Treffern erfüllten 27 Studien die Kriterien. Analysiert wurden ausschließlich experimentelle, nichtdiätetische Therapien. 

Ergebnisse:

Die untersuchten Ansätze lassen sich in vier Gruppen einteilen: 

  1. Glutenabbauende Enzyme (Glutenasen) wie ALV003 und AN-PEP können zwar Glutenfragmente spalten, führen aber nicht zuverlässig zum Schutz der Dünndarmschleimhaut. 

  2. Barriere-Modulatoren wie Larazotidacetat reduzierten die Symptomlast, verhinderten jedoch keine Schleimhautschäden. 

  3. Immuntherapien (z. B. Nexvax2, TAK-101, AMG 714) zielten auf die Toleranzentwicklung ab. Während Nexvax2 und AMG 714 keine ausreichende Wirkung zeigten, erreichte TAK-101 immunologische Effekte, bislang jedoch ohne klaren klinischen Nutzen. 

  4. TG2-Inhibitoren wie ZED1227 erwiesen sich als die bislang vielversprechendste Option: In Studien konnte die gluteninduzierte Schleimhautschädigung dosisabhängig reduziert werden, bei gutem Sicherheitsprofil

Schlussfolgerung: 

Bislang konnte keine der geprüften Substanzen die glutenfreie Ernährung (GFD) ersetzen. Somit bleibt die GFD die einzige wirksame Standardtherapie bei Zöliakie. Dennoch sind einzelne pharmakologische Ansätze von klinischem Interesse: ZED1227 ist derzeit der am weitesten fortgeschrittene Kandidat, während TAK-101 einen immunologischen Ansatz verfolgt, der in weiteren Studien geprüft wird. Andere Substanzen haben sich als wenig wirksam erwiesen oder werden nicht mehr weiterentwickelt.  

ZED1227 bietet keinen Ersatz für die glutenfreie Diät, kann jedoch als unterstützende Therapie dienen, insbesondere für Menschen mit hoher Glutensensitivität oder der Sorge vor unbeabsichtigtem Glutenverzehr, etwa beim Essen außer Haus. Für einige Betroffene stellt die konsequente Einhaltung einer strikt glutenfreien Ernährung eine große Herausforderung dar. Eine medikamentöse Begleittherapie könnte diesen Betroffenen künftig spürbare Entlastung bieten und ihre Lebensqualität deutlich verbessern.

Für Ärzte und Ernährungsfachkräfte bedeutet dies: Die GFD bleibt der Goldstandard in der Behandlung der Zöliakie. Pharmakologische Therapien sind noch nicht praxisreif, könnten aber perspektivisch als ergänzende Option zur GFD eine sinnvolle Rolle spielen.

*Aufgrund der Lesbarkeit wird hier das generische Maskulinum verwendet. Die verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter. 

Quellen:

Scalvini D, Scarcella C, Mantica G, Bartolotta E, Maimaris S, Fazzino E, Biagi F, Schiepatti A. Beyond gluten-free diet: a critical perspective on phase 2 trials on non-dietary pharmacological therapies for coeliac disease. Front Nutr. 2025 Jan 7;11:1501817. doi: 10.3389/fnut.2024.1501817. PMID: 39839296; PMCID: PMC11748180.  

Aggarwal N, Bhatia U, Dwarakanathan V, Singh AD, Singh P, Ahuja V, Makharia GK. Prevalence and etiologies of non-responsive celiac disease: A systematic review and meta-analysis. J Gastroenterol Hepatol. 2025 Jan;40(1):101-107. doi: 10.1111/jgh.16808. Epub 2024 Nov 18. PMID: 39557631.