Gluten und Weizen im Kontext der Frauengesundheit

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Glutenfreie Ernährung (GFD) wird längst nicht mehr nur von Menschen mit Zöliakie praktiziert. Besonders Frauen greifen aus dem Wunsch nach besserer Gesundheit, zur Gewichtskontrolle oder aufgrund unspezifischer Beschwerden heraus häufig zu glutenfreien Produkten. Doch welche Evidenz liegt tatsächlich für positive Auswirkungen einer glutenfreien Ernährung abseits der Zöliakie vor? 

Der Review „Gluten and Wheat in Women’s Health: Beyond the Gut“ von Manza et al. (2024) untersucht den aktuellen Wissensstand zur GFD im Kontext frauenspezifischer Erkrankungen. Im Fokus stehen neben der Zöliakie auch Nicht-Zöliakie-Gluten/Weizensensitivität (NCGWS), Fibromyalgie, Autoimmunthyreoiditis und Endometriose. Ziel der Arbeit war es, Chancen und Risiken der GFD bei diesen Krankheitsbildern systematisch zu bewerten. 

Methodik:  

Für die Arbeit wurden Studien aus den Datenbanken PubMed, EMBASE, MEDLINE und ScienceDirect eingeschlossen, die zwischen Januar 2000 und Oktober 2023 publiziert wurden. Nur englisch- oder italienischsprachige Originalarbeiten im Volltext wurden berücksichtigt. Ausgeschlossen wurden Dubletten, Studien ohne Originaldaten oder mit unklaren Ergebnissen. 

Ergebnisse:

Zöliakie

  • Prävalenz: 1–1,5 %, Frauen 1,5- bis 2-fach häufiger betroffen 

  • Assoziationen: Autoimmunerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus Typ 1, Hashimoto-Thyreoiditis), neurologische Störungen 

  • Reproduktion: Amenorrhö, verzögerte Pubertät, Fehl- und Totgeburten, Infertilität 

  • Komplikationen: erhöhtes Osteoporoserisiko 

  • Therapie: Strikte, lebenslange GFD als einzige wirksame Behandlung 

Nicht-Zöliakie-Gluten/Weizensensitivität (NCGWS)

  • Klinisch oft schwer von Reizdarmsyndrom (IBS) abzugrenzen. 

  • Charakteristisch: extraintestinale Symptome wie Müdigkeit, Hautausschläge, Muskel- und Gelenkschmerzen 

  • Epidemiologie: besonders Frauen betroffen 

  • Risiken: Osteopenie durch unzureichende Nährstoffzufuhr, insbesondere Kalzium 

  • Assoziationen: 25 % mit Autoimmunerkrankungen, 71 % ANA-positiv 

  • Serologie: IgG-Antigliadin-Antikörper bei rund der Hälfte, verschwinden unter GFD 

Fibromyalgie (FM)

  • Prävalenz: bis zu 3 % der Bevölkerung, Frauen etwa doppelt so häufig betroffen 

  • Erste Daten: leichte Besserung unter GFD bei Patienten mit intraepithelialer Lymphozytose 

  • Randomisierte Studie: keine Unterschiede zwischen GFD und hypokalorischer Diät 

  • Schlussfolgerung: GFD möglicherweise nur für Subgruppen von Nutzen 

Autoimmunthyreoiditis (CAT, Hashimoto)

  • Prävalenz: höher bei Frauen 

  • Evidenz: widersprüchlich – teils Rückgang von Antikörpern, teils keine Effekte 

  • Keine klare Empfehlung für GFD ableitbar 

Endometriose

  • Prävalenz: 5–10 % der Frauen im reproduktiven Alter 

  • Studie mit 207 Patientinnen: Nach 12 Monaten GFD berichteten 75 % über signifikante Schmerzreduktion sowie Verbesserungen in körperlicher und psychischer Lebensqualität 

  • Limitation: nur eine retrospektive Studie, Evidenz insgesamt schwach 

Fazit:

Die einzige Erkrankung, bei der eine GFD bisher als wirksam belegt ist, ist aktuell die Zöliakie. Bei Nicht-Zöliakie-Gluten/Weizensensitivität profitieren Betroffene häufig, auch wenn unklar ist, ob der Verzicht dauerhaft erforderlich ist. Für Fibromyalgie, Autoimmunthyreoiditis und insbesondere Endometriose liegen bislang nur wenige Studien vor, die zwar erste positive Hinweise zeigen, aber keine ausreichende Evidenz für eine generelle Empfehlung liefern. Damit kommt Medizinerinnen und Medizinern sowie Ernährungsfachkräften eine wichtige Rolle zu: Sie sollten Betroffene individuell und differenziert beraten, klare Indikationen stellen und gleichzeitig darauf achten, dass eine GFD ausgewogen umgesetzt wird, um Nährstoffdefizite und mögliche Komplikationen zu vermeiden. 

*Aufgrund der Lesbarkeit wird hier das generische Maskulinum verwendet. Die verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter. 

 

Quellen:

Manza, M. et al. (2024): Gluten and Wheat in Women’s Health: Beyond the Gut. Nutrients, 16(2), 322. https://doi.org/10.3390/nu16020322