Meet the Expert - Die Antworten der Expertinnen zu weiteren Fragen im Bereich der getreideassozierten Erkrankungen

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Sollte ich mich als Hashimoto-Patient glutenfrei ernähren oder sind auch alte Weizensorten verträglich?

Der Zusammenhang zwischen Zöliakie und anderen Autoimmunerkrankungen ist eindeutig nachgewiesen. Bis zu 15% der Zöliakiebetroffenen weisen eine weitere Autoimmunerkrankung auf. Eine dauerhaft glutenfreie Ernährung ist jedoch nur bei einer nachgewiesenen Zöliakie empfehlenswert.

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Ist die Prävalenz der Zöliakie in den letzten 5 Jahren gestiegen?

Eine systematische Metaanalyse hat gezeigt, dass die Inzidenz von Zöliakie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie im 21. Jahrhundert in der gesamten westlichen Welt erheblich zugenommen hat. Bei Frauen und Kindern ist die Anzahl an Neuerkrankungen am höchsten.

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Gibt es nach wie vor ein Trend der Nahrungsmittelunverträglichkeiten/-sensitivitäten? Sind die Diagnosekriterien spezifischer geworden?

Je mehr wir über die Nahrungsmittelunverträglichkeiten/-sensitivitäten herausfinden, desto spezifischer werden auch die Diagnosekriterien. Allerdings wurde in verschiedenen Studien auch gezeigt, dass der Placebo/Nocebo-Effekt durchaus nicht zu vernachlässigen ist und bei allen Untersuchungen mit berücksichtigt werden muss.

Quelle: Suspected Nonceliac Gluten Sensitivity Confirmed in Few Patients After Gluten Challenge in Double-Blind, Placebo-Controlled Trials. Molina-Infante, Javier et al. Clinical Gastroenterology and Hepatology, Volume 15, Issue 3, 339 - 348

Sinnvolle Therapie getreideassoziierter Erkrankungen

Hier muss ganz klar unterschieden werden, um welche getreideassoziierte Erkrankung es sich handelt. Bei Zöliakie ist eine strikte glutenfreie Ernährung notwendig. Auch bei Weizenallergie müssen Weizenprodukte aus der Ernährung gestrichen werden. Bei Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS) ist es vermutlich ausreichend, den Verzehr von Weizenprodukten stark zu verringern; in etwa auf 5 - 10 % des Ausgangswerts.

Wie sollten sich Personen ernähren, die eine Clostridieninfektion im Darm haben, a) im akuten Stadium und b) danach als Dauerkost?

Bei CDI wird eine medikamentöse Therapie mit Antibiotika durchgeführt. In einer Zusammenfassung mehrerer Studien wird ein positiver Effekt durch gleichzeitige Gabe von Probiotika in Bezug auf C. diff assozierte Durchfälle beschrieben. Siehe Goldenberg et al.

Quelle: Cochrane Database of Systematic Reviews 2017, Issue 12. Art. No.: CD006095.DOI: 10.1002/14651858.CD006095.pub4. Goldenberg JZ

Gibt es ein Leaky Gut Syndrom?

Wir gehen davon aus, dass es den sogenannten "leaky gut" gibt. Dies beschreibt die erhöhte Permeabilität der Mukosa, verursacht z.B. durch eine Entzündung oder Dysbiose. Bei "leaky gut" ist die Barrierefunktion gestört, so dass Bakterien, Bakterientoxine oder Nahrungsmittelantigene vermehrt in die Lamina propria und somit auch vermehrt in den Blutstrom gelangen. Ein "leaky gut" kann somit die Vorstufe für eine Erkrankung darstellen oder eine Begleiterscheinung sein.

Zölliakie von Geburt an. Welche Ursachen kommen dafür in Frage?

Eine Ursache ist die entsprechende genetische Veranlagung (HLA-DQ2 / -DQ8 positiv). Ohne diese Marker kann der Patient keine Zöliakie entwickeln. Es galt bis vor kurzem die Annahme, dass Stillen und das gleichzeitige Einführen einer glutenhaltigen Beikost nach dem 4. und vor dem 8. Lebensmonat protektiv für die Entwicklung einer Zöliakie ist. Dies konnte jedoch nicht in der Studie belegt werden. Das frühere Einführen einer glutenhaltigen Kost führte zwar zum früheren Auftreten einer Zöliakie, die Inzidenz für eine Zöliakie ist letztendlich aber ähnlich, egal wann Gluten eingeführt wird.

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Analer Pruritus als Begleiterscheinung von Zöliakie? Evtl. auch bei unzureichendem Verzicht auf Gluten?

Analer Pruritus wird bei Zöliakie nicht als Begleiterscheinung beschrieben.

Gibt es Zahlen darüber, dass Menschen mit Histaminintoleranz gehäuft auch getreideassoziierte Unverträglichkeiten haben?

Bislang gibt es hierzu keine Zahlen, auch wenn ein möglicher Zusammenhang diskutiert wird.

Glutenfreie Ernährung ohne Zöliakie - Segen oder Fluch?

Für Individuen, die keine Zöliakie haben (und auch keine sonstige Erkrankung, die mit Getreide assoziiert ist), ist eine glutenfreie Ernährung nicht nötig. Vielmehr verzichten sie auf die positiven Inhaltsstoffe des Weizens und müssen auch darauf achten, nicht möglicherweise einen Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen und/oder Ballaststoffen zu entwickeln.

Kann sie die Genetik der Menschen and die Änderungen des Getreide anpassen?

Diese Frage setzt voraus, dass es Änderungen des Getreides gegeben hat, wofür bislang wissenschaftliche Belege fehlen.

Die allgemeine Glutenunverträglichkeit zur Zeit, ist das nicht nur eine Modeerscheinung?

Es handelt sich hier sicherlich nicht nur um eine Modeerscheinung, auch wenn es durchaus einen Anteil an vermeintlich Betroffenen gibt. Zur Abklärung von Symptomen ist es auf jeden Fall wichtig, sich noch während der glutenhaltigen Ernährung medizinisch untersuchen zu lassen, um abzuklären, ob eine Zöliakie oder Weizenallergie vorliegt, oder ob es sich möglicherweise um eine andere ernährungsbedingte Erkrankung handelt. 

Sind Leistungssportler per se anfälliger für die Entwicklung einer Glutenunverträglichkeit aufgrund der erhöhten Anfälligkeit für Entzündungen im DD, u. a. durch bekannte Einblutungen im Dünndarm durch die Extrembelastung (reduzierter Stoffwechsel bis hin zur Neigung von Blutungen speziell bei extremen Ausdauerbelastungen – Triathlon, Tennis etc.

1.) Es gibt keine wissenschaftlichen Daten, dass Leistungssportler vermehrt an einer Glutenunverträglichkeit leiden. Jedoch ist unter Leistungssportlern und besonders Athleten mit Ausdauersportarten (Triathlon) eine glutenfreie Ernährung üblich, da hiervon eine Leistungssteigerung erwartet wird. Erste Studien belegen aber keinen positiven Effekt auf die Leistungsfähigkeit oder Entzündungen im Darm.  2.) Einzelne Studien mit nur geringer Teilnehmerzahl (n=11) belegen eher einen positiven Effekt durch  eine FODMAP-arme Diät, um gastrointestinalen Stress zu reduzieren. 3.) Dahingegen zeigt eine andere aktuelle Studien (allerdings auch nur 11 Teilnehmern), dass während der Belastung die Proteineinnahme und ganz besonders die Kohlenhydratzufuhr einen positiven Effekt auf die Darmpermeabilität haben und Stressmarker reduzieren.

Quellenangabe: 

  1. Med Sci Sports Exerc . 2015 Dec;47(12):2563-70.  doi: 10.1249/MSS.0000000000000699. Lis D et al. 
  2. Med Sci Sports Exerc . 2018 Jan;50(1):116-123.  doi: 10.1249/MSS.0000000000001419. Lis D et al. 
  3. Appl Physiol Nutr Metab. 2017 Dec;42(12):1283-1292. doi: 10.1139/apnm-2017-0361. Snipe RMJ et al.

Probiotika können sich positiv auf die Darmgesundheit auswirken, aber sollte nicht zuerst die Entzündung im Darm behoben werden? Wie sollte die Entzündung behandelt werden – muss hier Cortison gegeben werden, und wenn ja, wie hoch dosiert und wie lange? Welche Parameter können den Verlauf darstellen?

Bei einer Entzündung im Darm sollte die Ursache abgeklärt werden. Oft ist eine gesunde Ernährung (mediterran) schon sehr effektiv, um die Symptome und Entzündung zu lindern. Wie oben mehrmals angesprochen können eine vorübergehende FODMAP-arme oder glutenfreie Diät die Symptome bei Reizdarm verringern und die Entzündung verbessern. Probiotika/Synbiotika können ebenfalls ausgetestet werden. Die Patienten können aber ganz individuell auf verschiedene Probiotika reagieren. 

Bei Menschen, die an einer Zöliakie und einer chronische Darmerkrankung Zb Colitis Ulcerose leiden, gibt es da weitere Empfehlungen zur Ernährung, ausser die strikte glutenfreie Diät?Vorallem in den Schüben?

In schweren Schüben ist über eine partielle enterale Ernährung nachzudenken. Ansonsten gilt bei Patienten mit CED die Empfehlung einer gesunden Ernährung, bevorzugt mediterran und Einhalten einer glutenfreien Ernährung.

ist aus Ihrer Sicht ein Zusammenhang zwischen Zunahme einer veganen Ernährung und dem Auftreten von getreideassoziierten Unverträglichkeiten zu erkennen?

Aktuell gibt es keinen wissenschaftlich belegten Zusammenhang zwischen einer veganen Ernährung und Glutensensitivit.