Erhöhtes Adipositasrisiko durch glutenfreie Ernährung?

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Dass Adipositas das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht, ist unumstritten. Nicht jedoch, inwieweit eine glutenfreie Ernährung ein Risikofaktor für Adipositas darstellt. Eine Metaanalyse aus Italien ist dieser Frage nun nachgegangen.

Eine lebenslange, streng glutenfreie Diät (GFD) ist die tragende Säule zur Behandlung von Zöliakie. Es gibt jedoch eine Reihe von Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Risiken einer GFD, etwa, dass sie Übergewicht bzw. Adipositas begünstigen könnte. Viele Daten wurde bereits dazu veröffentlicht, wobei einige Studien eher einen kompensatorischen Effekt bei untergewichtigen Patienten zeigen, die durch eine GDF Normalgewicht erreichen konnten, während andere Studien Gewichtszunahmen bis hin zu Übergewicht und Fettleibigkeit beobachten. Zwei aktuelle systematische Reviews stellten zwar eine Zunahme des mittleren BMIs während der Nachbeobachtung fest. Überträgt man die Ergebnisse jedoch in BMI-Kategorien (Untergewicht, Normalgewicht, Übergewicht, Adipositas), zeigt sich, dass die Gewichtszunahme zu keinen Änderungen in den Kategorien führte. In den Auswertungen wurden Verschiebungen innerhalb der BMI-Kategorien nicht explizit berücksichtigt. Bei beiden Reviews endet die einbezogene Literatur 2018, zudem beschränkten sie sich in ihrer Betrachtung auf erwachsene Bevölkerungsgruppen.

Methode

Die Metaanalyse der Forscherinnen um Michele Barone und Andrea Iannone, tätig in der Gastroenterologie der Universität Bari in Italien, überprüfte systematisch, ob nach aktueller Studienlage Menschen mit Zöliakie bei Diagnose einen niedrigeren BMI haben als Menschen ohne Zöliakie und welchen Einfluss eine GFD auf die weitere Entwicklung des BMI hat. Darüber hinaus wurden auch die verschiedenen Studiendesigns analysiert (retrospektiv oder prospektiv) sowie die Dauer der Nachbeobachtung und erstmalig das Alter bei Diagnose (Erwachsene vs. Kinder).
Die Überprüfung mit Meta-Analyse wurde gemäß der PRISMA (Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Metaanalyses) Richtlinien durchgeführt. Zur Datengenerierung wurden im Februar 2021 PubMed, Scopus und Web of Science nach retrospektiven und prospektiven Studien sowie Querschnitts-Studien durchsucht. Sie geben Auskunft über BMI-Kategorien bei der Krankheitsdiagnose sowie während einer GFD. 45 Studien wurden ausgewählt (7.959 Patienten mit Zöliakie und 20.524 gesunde Kontrollpersonen).
 

Ergebnisse

Der mittlere BMI von Menschen mit Zöliakie war bei Diagnosestellung signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe. Die meisten waren bei der Diagnose jedoch im Normalgewichtsbereich. Nur 13 % der Patientinnen und Patienten waren untergewichtig, die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas betrug 14 % bzw. 6 %.
Während einer GFD stieg der mittlere BMI signifikant an, aber nur 9 % der Patientinnen und Patienten wechselten von Untergewicht/Normalgewicht in die Kategorie Übergewicht/Adipositas, während 20 % in eine niedrigere BMI-Kategorie wechselten.
Eine GFD erhöht somit nicht das Risiko für Übergewicht und Adipositas. Bei Kindern war dies besonders deutlich zu sehen.

 

Fazit

Die Ergebnisse lassen laut den Autorinnen zwei Schlussfolgerungen zu. Die erste ist, dass der Verdachtsindex für Zöliakie nicht mehr allein auf dem Körpergewicht beruhen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Diagnosestellung nicht Untergewicht, sondern Normal- oder sogar Übergewicht vorliegt, ist gestiegen. Die Autorinnen führen dies auf das gewachsene Wissen um die Erkrankung und die damit einhergehenden häufigeren und früheren Diagnosen zurück. 
Die zweite Schlussfolgerung ist, dass eine GFD das Körpergewicht nicht maßgeblich beeinflusst. Dieser Befund ist in der aktuellen Diskussion um glutenfreie Diäten sehr relevant, da einerseits Menschen mit Zöliakie besorgt sind, dass sie an Gewicht zunehmen könnten, andererseits Menschen ohne Zöliakie freiwillig auf Gluten verzichten, mit dem Ziel, Gewicht zu verlieren. Die Wissenschaft ist sich weitestgehend darüber einig, dass beide Annahmen nicht belegt werden können. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie bestätigen dies. 

 

Quellenangabe